Er war zirka 1.60 groß, mit etwa 47 Kilogramm ein hagerer Mann und wurde schätzungsweise 47 Jahre alt, was für seine Epoche, die nun schon 5300 Jahre zurückliegt, ein fast biblisches Alter war.

Obwohl wir wissen wie er aussah, was er bei sich hatte, ranken sich um ihn und seine Entdeckung Geschichten und Geheimnisse.

Die Rede ist von Ötzi - dem Mann aus dem Eis, dem im Erbacher Elfenbeinmuseum in der Werner-Borchers-Halle eine Sonderausstellung gewidmet war.

Wer kennt sie nicht, die besterhaltendste Feuchtmumie der Welt, die am 19. September 1991 vom deutschen Ehepaar Erika und Helmut Simon per Zufall bei einer Bergwanderung in den Ötztaler Alpen auf einem Gletscher in 3200 Meter Höhe entdeckt wurde.

Bis heute streiten sich die Simons, bzw. deren Rechtsanwalt mit den Behörden herum, ob sie nun Finder oder Entdecker oder auch sonstwas sind. Man unterstellte ihnen gar schon, die Mumie nicht nur gefunden, sondern zuvor auch nach etwas gesucht zu haben. Dann wäre dies ein unerlaubter Fund gewesen.

Dies und viele andere Details über die Entdeckung der Gletscherleiche erzählte bei der Eröffnung Helmut Simon höchstpersönlich einer großen Schar von Besuchern, die sich anlässlich der offiziellen Feierstunde zur Ausstellungseröffnung in der Werner-Borchers-Halle eingefunden hatten. Er plauderte recht amüsant, und man nahm ihm dabei seine einleitenden Worte "vor so einem großen Publikum habe ich noch nie gesprochen" ab. Trotzdem blieb er natürlich und humorvoll. Anm. * Helmut Simon wurde unlängst das gleiche Schicksal wie Ötzi zuteil, er verunglückte tödlich im Hochgebirge.

Neben dem Grafenhaus, welches sich komplett die Ehre gab, waren auch die meisten Honoratioren der Stadt zur Eröffnung anwesend. Aber man war nicht alleine wegen Helmut Simon oder der mit von stolz geschwellter Brust vorgetragenen Begrüßungsrede von Bürgermeister Buschmann erschienen, sondern wegen dem ganz besonderen Ehrengast des Abends: Ötzi-Experte Professor Walter Leitner vom Ur- und Frühgeschichtlichen Institut der Universität Innsbruck, der an den Untersuchungen der Ötzi-Mumie unmittelbar nach ihrer Bergung beteiligt war,und seinem rund 45-minütigen Dia-Vortrag über die neuesten Erkenntnisse zu diesem Jahrhundertfund.

Schon der Vortrag des Professors fesselte die Ötzi-Fangemeinde. Neben vielen Details, die so noch kaum zu hören waren, gab es auch Fotos vom Gletschermann, unmittelbar nach dessen Entdeckung aufgenommen. Viele Vermutungen gibt es, wer er wohl gewesen sein mag, wie er gelebt hat, warum er in einer solchen Höhe unterwegs war und wie er gestorben ist. Mittlerweile geht man von Mord aus, denn erst jüngst entdeckten die Forscher eine Pfeilspitze, die noch unter Ötzis Schulterblatt steckt. Man vermutet auch einen vorausgegangenen Kampf, denn an Kleidung und Gerätschaften des Ötzi wurden Blutspuren von mindestens drei weiteren menschlichen Idividuen entdeckt.

Dass die Leiche dort oben so einzigartig konserviert und nicht von der Gletscherschmelze Talabwärts mitgerissen wurde, sei dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass der Tote im Schutz einer Felsaufschüttung lag, so bahnte sich das Gletschereis seinen Weg rechts und links vorbei an Ötzis Leiche.

Ein Spezialistenteam hat den Körper per Computer vermessen und originalgetreu nachgebildet. So kann man Ötzis Auferstehung in Erbach bewundern. In voller Größe und Montour steht er da auf einem Geröllhaufen, in der Hand seinen Jagdbogen, der er aber nie benutzt haben kann, weil der Bogen nur halb fertig ist, genau wie die Pfeile, die man bei der Mumie fand. Neben einem für damalige Zeiten wertvollen Kupferbeil fand man Teile der Kleidung, Fellrucksack, Gürteltasche, Schneidewerkzeuge, Feuersteine und viele andere Ausrüstungsteile, die allesamt nachgebildet wurden und in Erbach zu sehen sind.

Mit aufwendiger Video-, Ton- und Lichttechnik bietet die Ausstellung eine Reise von der heutigen Gegenwart durch einen Zeit-Eistunnel bis hin zu Ötzis Gegenwart.

Was ist es, das die Menschen auch nach 12 Jahren immer noch so an dem Mann aus dem Eis fasziniert? Vielleicht ist es gerade das Nichtwissen, die vielen Rätsel, die sich um seine Person ranken. Die Wissenschaft ist heute soweit fortgeschritten, dass sie anhand von DNA-Proben feststellen kann, dass an Ötzis Kleidung das Blut von anderen Menschen und auch Tieren klebte, aber es ist noch vollkommen unbekannt, was er dort oben gemacht hat, wer er war und woher er kam. Tätowierungen an seinem Körper lassen medizinische Eingriffe vermuten, eine Art Steinzeit-Akupunktur, denn die Tätowierungen finden sich genau an den Punkten des Körpers, an denen auch die Chinesen früher wie heute erfolgreich mit ihren Wundernadeln arbeiten.

Ist Ötzi ermodet worden? Dafür sprechen die Wunden und die Pfeilspitze im Rücken, dagegen meiner Ansicht nach aber die Tatsache, dass man seine wertvollen Gegenstände wie die Kupferaxt nicht mitgenommen hat. War er ein Schäfer, der seine Tiere von Italien nach Österreich oder umgekehrt führte? War er Jäger? War er ein Schamane oder eine höhergestellte Persönlichkeit? Vielleicht war er ja auch nur ein vorzeitlicher Adventure-Wanderer oder Überlebenskünstler? Fragen über Fragen, für die es auch bei der Ausstellung in Erbach keine Antworten gibt. Aber gerade das macht sie so interessant. Jeder kann für sich eine Lösung suchen, kann diskutieren, Vermutungen anstellen, selbst Forscher sein. Eines ist sicher: Ötzi bewegt nach 5300 Jahren die Menschen mehr wie so manch anderer gegenwärtiger Zeitgenosse. Und warum? Weil sein Leben uns nicht auf dem Tablett haarklein serviert werden kann, weil Ötzi ein Rästel ist und es wahrscheinlich auch bleiben wird.

Infos zum Elfenbeinmuseum, auch über Führungen, gibt es unter Tel. 06062/91999-0 oder im Internet unter www.erbach.de.

Und ganz nebenbei kann man natürlich auch noch die tolle Dauerausstellung im Elfenbeinmuseum bewundern, wo es solch wundervolle Stücke zu sehen gibt. Die Räumlichkeiten wurden unlängst komplett neu gestaltet, ein Besuch lohnt sich allemal.

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